Frau Herrmann, damals Am Wiesengrund 23/24 erinnert sich:
Die Siedlung Kienwerder entstand in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre. Zu der Zeit hatten viele Berliner den Wunsch sich im „Grünen“ ein eigenes Domizil zu schaffen. Man suchte also nach einem geeigneten Plätzchen und fuhr von Wannsee aus über Dreilinden mit der sogenanntem „Friedhofsbahn“ nach dem idyllisch gelegenen Stahnsdorf.
Kam man aus dem einzigartigem Bahnhofsgebäude heraus, fiel ein hellblau gestrichenes Holzhäuschen auf, dessen Fenster- und Türrahmen, sowie die Ecken im lichten Gelb gehalten waren. Hierher lenkten die Ankömmlinge ihre Schritte und erhielten dort Informationen über Parzellen im weiteren Umkreis des S-Bahnhofes, die zum Verkauf standen. Ein Makler bot für eine neu entstehende Siedlung Grundstücke an.
Man wanderte längs des Friedhofsgeländes einen Feldweg entlang Richtung Heidestrasse. Von dort bog man nach rechts ab und durchwanderte einen mit Kiefern bestandenen Hochwald. Am Ende des Waldweges fand man erneut ein blau-gelb gestrichenes Häuschen in dem man genaue Auskünfte über Angebote und Lage von Grundstücken erhielt.
Die hier neu entstehende Siedlung sollte ursprünglich Kuckucksruh heißen. Wie es dann zum Namen Kienwerder kam, kann nicht gesagt werden. Die Gemeinde Gütergotz, wie Güterfelde bis 1938 genannt und von Fontane beschrieben wurde ist wahrscheinlich dafür verantwortlich.
Meine Eltern, Franz und Helene Neumann entschieden sich für das Doppelgrundstück „Am Wiesengrund 23/25.
Eine stabile sehr hübsche Laube wurde errichtet und fortan ging es jedes Wochenende hinaus ins „Grüne“. Der Vater zäunte das Grundstück ein und bohrte einen Brunnen. Das kristallklare Wasser wurde zum Kochen genommen und lud auch zum Trinken ein. Es hatte einen hervorragenden Geschmack. Mit Begeisterung pumpten wir vier Kinder das Wasser in Gießkannen und Eimer, um die bereits gepflanzten Obstbäume und Sträucher zu wässern. Nach dem Krieg verwandelte es sich eigentümlicherweise in ein eisenhaltiges sich braunfärbendes Wasser mit unangenehmen Geschmack. Hier half auch ein neugebohrter Brunnen nichts.
Inzwischen war 1933 auch der Hausbau vorangekommen. Die Mutter hatte eine wunderschöne Richtkrone gebunden. Lustig flatterten lange bunte Bänder über dem Dachstuhl.
Am 9. Juli 1934 war es dann endlich soweit – der Umzug von Charlottenburg in unser neues Zuhause ging vonstatten.

(Foto: privat)
Gleich danach wurde das restliche Land urbar gemacht, gesät und im Herbst schon geerntet. Allmählich wuchs die Siedlung, ab und an entstand ein neues Haus. Vorrangig wurden allerdings Lauben errichtet, die alle individuell gestaltet waren und meist in Eigenarbeit und Holzbauweise gebaut wurden. Dach und Wände wurden mit Dachpappe geschützt und zusätzlich geteert. Im Herbst haben die „Laubenpieper“ ihre Lauben winterfest gemacht, Pumpen abgebaut, eingewecktes Obst und Gemüse in die Berliner Wohnung gebracht. Kienwerder wurde jetzt ruhiger. Viele Parzellen, vor allem die Eckgrundstücke waren noch nicht verkauft. An provisorischen Strassen und „Trampelpfaden“ wuchsen Heidekraut und wilde Stiefmütterchen.
1935 war die Zeit der guten alten Petroleumlampen vorbei. Lichtmasten wurden gesetzt und die Stromversorgung vorangetrieben. Der Streit innerhalb des Siedlungsvereins, ob zuerst Gas oder Strom verlegt werden sollte, war zugunsten der elektrischen Versorgung gefallen, Gleichzeitig mit der der Elektroversorgung begann der Straßenbau. Der Straßenbeitrag wurde in die Pflasterkasse gezahlt
Die Waldtraudstrasse wurde zuerst gepflastert, angeblich weil dort schon die meisten Häuser standen und der SA Hauptmann.am Ende der Straße, im heutigen Haus „Am Heidekamp Nr.8″ wohnte und seine „Aufmärsche“ wollte. Danach ein Teil des „Heidekamp“ und Teile „ Am Wiesengrund“. Durch den Krieg wurde der weitere Ausbau unterbrochen.
Die Versorgung der Siedlung erfolgte anfangs durch fliegende Händler bzw. durch Bestellsystem. Der Fleischer Paulus aus der Stahnsdorfer Bergstrasse schickte die Mamsell mit dem Fahrrad um Bestellungen entgegen zu nehmen. Mittwochs und Sonnabend`s lieferte der Chef persönlich mit dem Auto. Bäcker Ziegenhagen gegenüber vom Stahnsdorfer Hof – brachte Brot und Backwaren. Herr Fricke aus Güterfelde lieferte mit pferdebespanntem Planwagen Milch und Molkereiprodukte. Auch mit einem Pferdegespann wurden Salzheringe, Sauerkraut und saure Gurken angeboten.
Da viele Einwohner selbst Hühner, Kaninchen, Schafe und Ziegen hielten kam auch ein Händler mit Futter- und Düngemitteln.
Durch die fortschreitende Besiedlung konnten auch zwei Kolonialwarenläden in Kienwerder öffnen. Ein kleinerer Laden Am Anger Nr. 3, wurde von Fam. Bahlmann, später von Meinikes betrieben, der größere befand sich Am Kienwerder Nr. … und wurde von Fam. Richter betrieben, später übernahmen Fam. Örtel den Laden, den sie bis 1991 betrieben. Diese Läden waren Mittelpunkte der Siedlung, in dem man nicht nur einkaufte ,sondern auch die neuesten Geschehnisse im Ort erfuhr und Informationen austauschte, Frauen schnell mal ein Schwätzchen machten.
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